Begegnung mit alten Bekannten
Unsere Sammlung an vielfältigen Eindrücken wächst. Abends treffen wir den Kunstlehrer Mr. Adjei aus der Baobab Children Foundation und seinen Freund Ni in Accra. Bevor wir gemeinsam auf dem Nachtmarkt essen, gehen wir auf ein Kaltgetränk in eine Bar. Diese liegt im Dunkeln mit einem Plastiktisch und Plastikstühlen davor und ist geöffnet. Auf uns wirkte sie auf den ersten Blick geschlossen. Wir machen es uns bequem und quatschen über unterschiedliche Themen. Da Beide bereits in Deutschland waren, erzählen sie viel von ihren Erfahrungen dort. Mr. Adjei ist vor drei Jahren für mehrere Kunstaustellungen und im Auftrag der Baobab Children Foundation in Deutschland gewesen. Dort war er unter anderem in Stuttgart und erzählte uns von zwei unangenehmen Situationen. Einmal fuhr er mit der Straßenbahn und wollte sich neben eine Person setzen. Diese machte ihm deutlich, dass er nicht neben ihr sitzen solle. Auch auf der Straße wurde er einmal per Handzeichen weggebeten. Insgesamt hat er jedoch viele positiven Erfahrungen gemacht und viele nette Leute kennengelernt. Die Kunstaustellungen sowie Workshops zu leiten hätten ihm eine große Freude bereitet. Ni war besonders begeistert von Berlin. Um die Stadt mit allen Sinnen zu erleben, entschied er sich die Strecken zu Fuß zurückzulegen. Was Ni besonders gefiel war, mit kurzer Hose und T-Shirt im Regen herumzulaufen. Er fiel dadurch auf, dass er der Einzige in kurzen Sachen war und etwas irritiert angeschaut wurde. Überraschend war er von einigen Ecken, in denen kaum jemand auf der Straße unterwegs war. Den Kontrast, den er zwischen Deutschland und Ghana beschreibt kann ich gut nachvollziehen. Besonders in Accra, einer Großstadt, in der ca. 3 Millionen Menschen leben. Am Straßenrand stehen große Musikboxen, aus denen laut aufgedrehte Musik läuft. Daneben sind kleine Shops geöffnet und Straßenstände, an denen man Obst und andere Leckereien, wie z.B. Kochbananenchips kaufen kann.
Ich fand es spannend mich mit den Beiden über ihre Erfahrungen in Deutschland und das Leben in Ghana auszutauschen und Orte, wie den Nachtmarkt gezeigt zu bekommen, an den wir alleine nicht gekommen wären. Ein Ort, an dem das Nachtleben von Accra pulsiert und sich ein Essensstand neben dem Anderen reiht. Frischer Fisch wird auf einem Grill zubereitet und mit einer Ingwerpaste bestrichen. Dazu wird Reis mit Kochbananen und Bohnen auf großen Bananenblättern serviert. Neben freilaufenden Hühner und Hunden flitzen die Kids um die Stände und spielen. Es ist ein buntes Treiben und außer uns sind keine Weißen zu sehen. Durch unsere beiden Begleiter, die sich auf Ga (einer der 62 Sprachen in Ghana) mit den Verkäufer*innen unterhalten, erhalten wir einen Einblick in die Community. Plötzlich sitzt ein kleines Kind auf dem Schoß von Ni und eine ältere Frau erzählt ihm von seinem Lebensschicksal. Seine Mutter starb vor zwei Tage aufgrund von Bluthochdruck. Ni erzählt uns, dass die Menschen hier generell wenig zum Arzt gehen und Vorsorgeuntersuchungen machen. Nun kümmert sich die Oma und Bekannte um die zwei zurückgeblieben Kinder. Für uns ist es bedrückend zu hören, aufgrund welcher Todesursache die Frau so jung starb.
Wilde Fahrt nach Cape Coast
Am nächsten Tag starten wir unsere Weiterfahrt nach Cape Coast. Leider ist Jona‘s Gepäck nach wie vor nicht am Flughafen angekommen.
Die Suche nach einem Taxi, das unsere gigantisch große 2m Surftasche transportieren kann, erweist sich als etwas komplizierter. Am Ende findet sich aber eine kreative Lösung und das Board wird mit offener Heckklappe festgebunden.
An der Busstation nehmen wir einen alten Ford Bus. Unsere Surfbretter werden direkt neugierig begutachtet. Vier Busfahrer überlegen eifrig, wie sie unsere Surfbretter am besten verstauen. Zunächst sollen wir drei extra Plätze für das Surfboard buchen, doch beim Verladen zeigt sich, dass nur zwei Plätze belegt werden.
Ein hilfsbereiter Mitfahrer namens Osmond hilft uns sofort und macht dem Busfahrer deutlich, dass nur zwei Plätze belegt werden. Wir erhalten ein Ticket zurück. Osmond und Jona tauschen ihre Nummern aus. Osmond schlägt vor am nächsten Tag mit uns im Baobab House zu frühstücken und möchte uns gerne nochmal treffen und einladen.
Während der Fahrt finden unsere Bretter einen weiteren Nutzen. Sie dienen den Mitfahrern als bequemes Kopfkissen.
Endlich raus aus der Großstadt. Für ca. 145 km brauchen wir insgesamt vier Stunden. Die Straße ist teilweise in einem sehr schlechten Zustand und seit zwei Jahren eine Baustelle. Dazu geht es über eine sandig, buckelige Piste und schließlich auf einer gut geteerten Straße nach Cape Coast.
Am Ziel angekommen sollen die Surfbretter in ein weiteres Taxi verladen werden. Diesmal ist der Vorschlag, die Bretter auf das Dach zu legen und mit den Händen aus dem Auto festzuhalten. Diese Variante scheint uns doch etwas zu unsicher und wir wählen ein Geräumigeres. Das Auto war genauso klein, nur hatte dies ein funktionierenden Kofferraum und das Board konnte so transportiert werden.
Wiedersehen im Baobab House
Nach 10 Jahren das Baobab House zu betreten fühlt sich vertraut und aufregend an. Dies war das letzte Mal, als ich hier zu Besuch war. Zwei Schülerinnen, mit denen ich vor 13 Jahren im Projekt gelebt habe, arbeiten mittlerweile im Service des Restaurants. Sie haben dazu eine Catering Ausbildung im Projekt erhalten und wirken selbstbewusst und fleißig. Die Wiedersehensfreude ist groß.
Nach der langen Fahrt sind wir besonders hungrig und ich freue mich Jona das leckere Essen sowie die selbst gepressten Säfte aus dem Baobab House zu zeigen. Neben selbstgemachtem Bananen, Mango und Ananas Smoothie gibt es den besonders gesunden und fruchtigen Ananas Moringa Saft. Das besondere am Baobab House ist, dass es hier vegetarisch/veganes Essen gibt. Dies ist eher ungewöhnlich für Ghana. Dazu werden gesunde Pflanzen, wie z.B. Moringa mit in den Gerichten und Säften verarbeitet. Moringa ist eine Pflanze, die in den Tropen und Suptropen wächst und und besonders reich an Mineralien, Vitaminen, Antioxidantien ist. Die Austernpilze, die Teil des Gemüseeintopfs sind, werden in einem aufwändigen Prozess auf der schuleigenen Farm gezüchtet und schmecken einfach köstlich. Auch der Großteil des Gemüses kommt von der eignen Farm. Dazu gibt es selbstgemachten Tofu.
Unser Treffen mit Edith und einem aktuellen Projekteinblick
Wir treffen uns mit Edith, der Gründerin des Projektes und tauchen unter anderem tiefer in die bewegenden Geschichten der Kinder ein. Von familiärer Ablehnung, über nächtliche Ausbrüche bis hin zu einem Fall, bei dem eine Jugendliche ihren Körper für 5 Cedi (30 Cent) anbietet. Ein solches Verhalten zeigt häufig Anzeichen von Missbrauchserfahrungen und ähnlichen Traumata.
Neben dem ausführlichen Einblick in die aktuelle Situation des Projektes sprechen wir über die lokale Wirtschaftsentwicklung sowie die finanzielle Unterstützung des Projektes. Wir könnten stundenlang mit ihr weiter quatschen.
Eine zentrale Herausforderung bleibt die Finanzierung des Projektes. Patenschaften für die Kinder sind dabei ein wichtiger Bestandteil, der für die längerfristige Finanzierung sorgt. Wir werden dieses Thema nochmal genauer während unserer Zeit im Projekt hier vertiefen.
Es erschüttert mich zu hören, dass die Tomaten, die es in Ghana auf den Märkten nicht aus einheimischem Anbau kommen, sondern aus Burkina Faso importiert und von russischen Firmen vertrieben werden. Doch nicht nur in der Landwirtschaft zeigt sich der Einfluss fremder Akteure. Auch im Goldabbau hinterlassen internationale Unternehmen ihre Spuren mit fatalen Folgen. Beim Goldabbau verwenden chinesische Firmen eine illegale Methode, bei der giftiges Quecksilber in die Umwelt gelangt und diese belastet. Auf einem markanten Werbeplakat für Lebensmittel in Accra wird mit dem Slogan „make your food great again“ geworben. Hierbei wird der amerikanische Einfluss auf die Lebensmittelindustrie deutlich und der westliche Lebensstil, der oft als erstrebenswert gilt.
Endlich Gucci Unterwäsche
Bevor es nach Busua geht laufen Jona und ich zum lokalen Markt in Cape Coast. Wir wollen vorerst die wichtigsten Klamotten und Unterwäsche einkaufen, da es nach wie vor keine Antwort zum verlorenen Gepäckstück gibt. Noch vor 13 Jahren bestand der Markt aus vielen kleinen Straßenständen. Heute steht in der Mitte des Marktes eine große Einkaufsmall und die kleinen Straßenständen wurden an die Seiten und drumherum verdrängt. Der Markt soll um 09:30 öffnen. Wir laufen gemäß deutscher Pünktlichkeit dorthin und finden die Stände geschlossen vor. Nach etwas Wartezeit öffnen sie dann 45 Minuten später. Nachdem wir genauer erläutern nach was wir suchen, werden wir auf eine Bank gesetzt und erhalten kurze Zeit später schicke Gucci Boxershorts. Dazu gibt es zwei Trikots (Manchester City und Barcelona) für insgesamt 300 Cedi (ca. 18 Euro) und ein paar Basic T-Shirts für 50 Cedi pro Stück (ca. 3€). Alles, was Jona je wollte.
Mit den neuen Errungenschaften geht es dann mit dem Taxi nach Busua. Die Boards werden diesmal aufs Dach gebunden. Zwischendurch halten wir kurz, um das Band fester zu ziehen. Wir sind erleichtert, dass unsere Boards die Fahrt unversehrt überstehen.
Surfen in Busua: Zwischen Palmen, Wellen und Fischerbooten
Wir erreichen unser Ziel, die Ahanta Eco Lodge. Sie liegt mitten in der Natur an einem Fluss und nur wenige Meter vom Surfspot und dem kleinen Dorf Busua entfernt. Wir werden herzlich begrüßt und erblicken die ersten Wellen durch die Palmenblätter. Da kribbeln direkt die Füße und die Freude zu surfen wächst. Wir sollen nicht lang warten sagt ein Mitarbeiter, die Wellen seien gut. Wir waxen schnell unsere Boards, montieren die Finnen und laufen durch den Fluss direkt zum nahegelegenen Surfspot. Jona lässt seine dreckigen Klamotten gerade an und ich kann meinen kurzen Surfanzug testen. Es herrscht ein buntes Treiben im Wasser. Darunter viele junge Leute und überwiegend einheimische Jungs. Plötzlich paddelt ein ghanaisches Mädchen neben mir her, was mich sehr freut, da der Anteil an Frauen beim Surfen oft deutlich geringer ist.
Wir sehen ein Surfboard, bei dem die Spitze abgebrochen ist, Boards ohne Finnen und die meisten surfen ohne Leash. Beim Rauspaddeln werden wir direkt nett von Isaac begrüßt, der nach unseren Namen fragt. Wenn einer eine Welle bekommt wird laut gejubelt oder es wird einem „Go, go, go“ zugerufen, wenn die Wellen angerollt kommen. Das Wasser ist angenehm warm, sehr salzig und es ist ganz ungewohnt im kurzen Wetsuit und Shorts und T-Shirt zu surfen. Am Strand herrscht nebenbei ein munteres Treiben. Leute sitzen in Bars, auf der Mauer und Kinder haben sich Hölzer als Tore gesteckt und spielen Fußball am Strand. Isaac, unser neuer Freund paddelt zu mir und fragt, ob wir die Boards kurz tauschen wollen. Freudig legt er sich auf mein Board und bekommt direkt eine Welle. Ich muss mich auf seinem Shortboard erst einmal zurecht finden. Es ist deutlich kleiner, wackeliger und fast unmöglich für mich eine Welle zu bekommen. Wir haben unseren Spaß und surfen bis zum Sonnenuntergang. Der knall orangene Ball ist gut sichtbar und geht hinter einer malerischen Kulisse von Bäumen und Palmen unter. Ein Moment, der spektakulärer nicht sein könnte. Der Aufwand, unsere eigenen Surfbretter mit nach Ghana mitzunehmen, hat sich definitiv gelohnt und das alles zusammen zu erleben und zu teilen, ist ein großes Geschenk. Hier bleiben wir jetzt eine knappe Woche und genießen die Wellen, bevor es dann ins Projekt geht.
Von Lara verfasst
Bis nächste Woche
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