
Projektrückschau und der Beginn unserer Ferien- und Reisezeit
- Lara
- 26. Apr.
- 12 Min. Lesezeit
Ihr treuen Leser*innen,
während ich diesen Blog schreibe, sitze ich in unserem neuen Zuhause für die nächsten Wochen – direkt am Meer. Vor mir sitzt eine Reihe von Kindern auf der Mauer, die einer Gruppe fußballbegeisterter Kids am Strand zuschauen. Wir sind wieder in Busua, der Ort an dem wir vor Projektstart bei Baobab in Ghana angekommen sind. Die Zeit rast, und hinter uns liegen sechs intensive, lehrreiche sowie eindrucksvolle Wochen in der Baobab Children Foundation. Die Ferienzeit gibt uns die Möglichkeit, die vielen Erlebnisse zu verarbeiten und mit etwas Abstand zu betrachten.
Es gibt Themen, die uns weiterhin beschäftigen, sowie offene Fragen, die uns auch über die Projektzeit hinaus begleiten. In diesem Bericht nehme ich euch mit zu den vergangenen Ereignissen der letzten Wochen im Projekt: Zu den Herausforderungen vor denen Baobab steht und zu vielen kleinen, eindrücklichen Alltagssituationen. Der Besuch des Elmina Castles und der Einblick in den transatlantischen Sklavenhandel sind ebenfalls Teil unserer Erlebnisse gewesen.
Edith – Einzug in ihr neues Zuhause
Endlich ist der Tag gekommen, an dem Edith und eine Mitschülerin in ihr eigenes Haus auf dem Projektgelände einziehen. Länger schon wurde dafür gemeinschaftlich durch das Sammeln von Spenden auf dieses Ziel hingearbeitet. Viele von euch haben mit ihrer Spende dazu beigetragen. An dieser Stelle nochmal ein großes Dankeschön. Das Haus besteht aus einer eigenen Küche,Bad und einem Zimmer, in dem die Beiden schlafen. Vor Einzug schlief Edith auf einer dünnen Matratze vor den Schlafsälen der Mädchen, da sie sich in Gemeinschaft der Anderen unwohl fühlte. Jetzt hat sie deutlich mehr Rückzugsmöglichkeit und freut sich auf ihr neues Zuhause. Aus meiner Sicht hat es genau diese Zeit gebraucht, um Edith Schritt für Schritt auf den Einzug vorzubereiten und diesen schließlich zu verwirklichen.
Anfangs ist unklar, wer mit ihr zusammenziehen soll – zumal sie mehrere Mitschülerinnen abgelehnt hat. In direkten Gesprächen mit Edith und den Schülerinnen melden sich rund acht interessierte Mädchen. Eine davon, etwas älter und sehr reif, scheint besonders passend. Sie hat bereits Erfahrung mit jemandem, der ähnliche Verhaltensweisen wie Edith zeigt und kann sich ein Zusammenleben gut vorstellen.
Nachdem alles geklärt ist, geht es ganz schnell. Schon am nächsten Tag packen die Beiden ihre Taschen und die Hausmutter und ich begleiten sie bei dem Einzug. Es wird gemeinsam gefegt und eingerichtet. Edith strahlt vor Freude und trägt stolz ihre Tüten an den anderen Mädchen vorbei, die sie etwas neidisch mustern. Ich habe ein gutes Gefühl, was das Miteinander mit Edith und ihrer neuen Mitbewohnerin Mabel angeht. Das Gefühl bestätigt sich, als ich am Tag darauf mit Mabel spreche und sie frage, wie die erste Nacht war. Sie strahlt und sagt „gut“. Morgens habe sie Edith zum Duschen geweckt und ihr genauer gezeigt, wie man sich wäscht. Außerdem habe sie ihr erklärt, dass sie täglich mit ihr nach passender und frischer Kleidung schauen würde.
Abends habe sie Edith darum gebeten, etwas zum Einschlafen zu singen und anschließend habe sie das Abendgebet gesprochen. Edith habe ihr gesagt, dass sie sie möge und Gott sie segnen möge. Sie sei so liebenswert zu ihr und niemand aus ihrer Familie habe sich je so um sie gekümmert wie sie. Ich bekomme Gänsehaut – Mabels respektvolle und akzeptierende Art ist ein kostbares Geschenk für Edith. Für die zukünftige Arbeit ist es wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass auch Mabel mit unterstützt wird und nicht zu viel Verantwortung für Edith übernimmt.
An einem Nachmittag sehe ich die beiden mit anderen Schüler*innen zusammensitzen. Auch wenn Edith etwas abseits sitzt, ist sie doch „mit dabei“ und nicht für sich zurückgezogen. Mitarbeitende berichteten in den folgenden Tagen, dass sie einen Wandel bei Edith wahrnehmen. Sie würde gepflegter und insgesamt zufriedener aussehen. Ich sehe Kleidung an ihr, die ich bisher nicht an ihr gesehen habe. Die letzten Wochen trug sie ausschließlich Kleider. Nun sieht man Leggins, Röcke in Kombination mit einem T-Shirt. Sie erhält Komplimente für ihren neuen Kleidungsstil. Die Arbeit der letzten Wochen zeigt auf vielen Ebenen eine positive Wirkung. Die Energie, die Jona und ich in Aufklärungsgespräche mit den Mitarbeitenden gesteckt haben, trägt Früchte im direkten Umgang mit ihr. Wir machen immer wieder deutlich, dass wir sie nicht ändern werden und sie so akzeptiert werden sollte, wie sie ist.
Auch in der Einzelbetreuung erlebe ich in den letzten Wochen viele offene, freudige und leichte Momente mit Edith. Neben ihrer täglichen Arbeit beim Kenteweben ist sie begeistert und motiviert beim Herstellen von Kokosnusstaschen. Die Nüsse dazu sammelt sie selbst auf dem Boden und kümmert sich um die weitere Verarbeitung. Ein Mitarbeiter und ehemaliger Schüler zeigt ihr in aller Ruhe und mit dem ein oder anderen Witz dazwischen, wie sie die Taschen fertigstellt. Die beiden haben einen freundlichen Umgang und durch die witzige Art des Mitarbeiters lacht Edith häufig und ist sozial angebunden. Sie nutzt ihre Nachmittage, um die Taschen zu vollenden und ist mit viel Motivation und Eigeninitiative dabei.
So schön es ist, diesen positiven Wandel mitzuerleben, so vorsichtig sind Jona und ich, dass er erhalten bleibt. Tiefphasen gehören dazu und müssen ebenso akzeptiert werden. Auf dieses Thema gehe ich im letzten Mitarbeiter*innentreffen vor den Ferien noch einmal ein.
Spontanität, die bereichert und zum Tanzen bewegt
Besonders viel Freude haben uns die Momente im Projekt bereitet, die aus einem spontanen Impuls entstanden sind. In einer der Mittagspausen statten Jona und ich den Jugendlichen in der Werkstatt des Rattanmöbelbaus einen Besuch ab. Mit Gute-Laune-Musik im Hintergrund und fröhlichem Geplauder wird plötzlich ein Dancefloor eröffnet, auf dem die Jugendlichen ihre Dance-Moves zeigen.
Nachmittags laufen die Vorbereitungen für die Abschlussfeier der Schulabsolvent*innen auf Hochtouren. Die Schüler*innen schneiden sich gegenseitig die Haare und es werden die feinsten Kleidungsstücke ausgewählt. Nicht nur für die Feier am Tag danach, sondern auch für die große dance - und Rap competition am Abend. Die großen Soundboxen sind bereits übereinander gestapelt,die Musik extrem laut aufgedreht und der DJ spielt sich schonmal warm. Die Organisation des Ganzen liegt bei den drei Freiwilligen, die ihren einjährigen Freiwilligendienst bei Baobab absolvieren. Nach dem Abendessen ist es dann soweit. Es herrscht eine quirlige und aufregende Stimmung. Die Moderation wird von einem Seniorschüler übernommen. Er leitet mit voller Enthusiasmus und Selbstbewusstsein durch das Abendprogramm. Jedes Talent ist willkommen. Schüler*innen unterschiedlichen Alters präsentieren stolz ihre Tanz- und Rap-Talente und die Freude in ihren Gesichtern ist deutlich spürbar. Auch Jona wird von einigen Schülern auf die Bühne gezerrt und darf seine dancemoves zeigen. Besonders der Move, bei dem der Arm seitlich gedreht wird, sorgt für Faszination und die Menge tobt und ist außer sich. Am Ende wird die Bühne für alle geöffnet, und wir genießen das gemeinschaftliche Miteinander sowie die ausgelassene Stimmung und volle Energie der Gruppe.
Ein feierlicher Anlass – die Schulabschlussfeier
Für viele Schüler*innen ist dieser Tag mit besonderer Aufregung verbunden. Rund 15 von ihnen erhalten ihr Zertifikat zur bestandenen Schulabschlussprüfung. Neben der akademischen Prüfung steht vor allem der praktische Abschluss in einem der handwerklichen Fächer im Vordergrund – sei es Nähen, Schreinern, Rattanmöbelbau oder Kunst. Als Start in ihr Berufsleben erhalten die Absolventinnen ein Starterpaket: eine Nähmaschine mit Garn oder eine Box mit Farben und Pinseln für künstlerische Tätigkeiten.
Alle tragen eine feierliche Kutte und Abschlusskappe in dunkelrot sowie einen traditionell bunt gewebten Kente-Streifen über den Schultern. Auch die Lehrerinnen sind so schick gekleidet wie nie. Die Feier findet auf dem Projektgelände zwischen Mangobäumen und Bambus statt. In einem großen Kreis wurden mehrere Pavillons aufgebaut, unter denen Eltern, die Culture Troupe, Mitarbeitende, Absolvent*innen und weitere Schüler*innen Platz finden. Es herrscht ein munteres Treiben, und viele Familien erscheinen mit mehreren Generationen.
Zunächst richtet der Schulleiter ein Wort an die Eltern – eingeladen sind nicht nur die der Absolvent*innen, sondern auch die der übrigen Schülerinnen. Das Erscheinen der Eltern an diesem Tag ist sehr wichtig, weil so ein direkter Kontakt hergestellt wird und sie einen aktuellen Einblick in die Arbeit von Baobab erhalten. Viele der Jugendlichen leben bei Baobab unter deutlich besseren Bedingungen als in ihrem Heimatdorf. Den Mitarbeiter*innen ist es wichtig, die Eltern aktiv einzubeziehen und deutlich zu machen, dass dieser Ort kein Selbstläufer ist und auch das Projekt finanziell zu kämpfen hat.
Im Anschluss beginnt der feierliche Teil der Zeremonie. Die Culture Troupe trommelt und tanzt mit voller Energie, während die Eltern ihren Beitrag in Form von Spenden in einer Box leisten. Bei der feierlichen Übergabe des Zertifikats und des Starterpakets erhält jede Absolventin und jeder Absolvent ein Foto mit der gesamten Familie und wird nacheinander aufgerufen. Besonders engagierte Schüler*innen – etwa aus dem Future Lab oder dem Fußballteam – werden zusätzlich vom Projektmanager persönlich gelobt. Das soll als Motivation für diejenigen dienen, die ihren Schulabschluss noch vor sich haben.
Während die meisten Absolvent*innen stolz und glücklich sind, wirkt Collins bedrückt und traurig. Seine Mutter konnte krankheitsbedingt nicht kommen. Stattdessen ist seine Schwester dabei, eine ehemalige Baobab-Schülerin. Kurz vor der Feier fehlt Collins die passende Kleidung, doch Bright, sein älterer Bruder, findet ein geeignetes Shirt für ihn, was er außerhalb der Zeremonie tragen kann.
Wir begleiten Collins und einen weiteren Schüler Isaac nach der Feier in ihre Heimatdörfer.

Abgebogen von der Hauptstraße führt ein sandig-hügeliger Weg in ein kleines Dorf. Dort leben Collins Mutter, Großmutter und Schwester in einem einfachen Lehmhaus; Collins und sein Bruder in einem angrenzenden Steinhaus. Als wir ihn mit seiner Abschlusskiste aus Farben und Pinseln absetzen und fragen, wie es weitergeht, wirkt er verunsichert und nervös. Collins war ca. 14 bis 15 Jahre bei Baobab – eine außerordentlich lange Zeit. Doch aufgrund seiner Muskeldystrophie Erkrankung und herausfordernden Lebenssituation hat sich Baobab dazu entschieden, die Brüder über die durchschnittliche Schulbesuchszeit im Projekt wohnen zu lassen. Bright ist mittlerweile angestellter Mitarbeiter. Bis heute ist Baobab stets mit vollem Herzen für die Beiden da.
Jona und ich beschäftigen uns auch nach dem Abschied weiter mit Collins Zukunftsperspektive. Als Künstler in seinem Dorf zu arbeiten, scheint keine Option, da es dort weder Wertschätzung, Notwendigkeit noch die finanziellen Mittel für Kunst gibt . Zu Hause bewegt sich Collins deutlich weniger als bei Baobab und ihm fehlt die Möglichkeit zur Physiotherapie. Während er in der Gemeinschaft geschätzt und für sein Rap-Talent bewundert wird, verbringt er zu Hause viel Zeit allein. Die häuslichen Bedingungen sind insgesamt deutlich unzureichender und einfacher als bei Baobab.
Wir sprechen mit Manager Alhaji, seinem Kunstlehrer und mit Edith über Collins Situation. Alle sind sich einig, dass er vor Ort nur wenig Zukunftschancen hat. Eine mögliche Zwischenlösung wäre, ihn bei Baobab Papiertüten für den Shop falten zu lassen und so ein kleines Einkommen zu erzielen. Dabei geht es nicht darum, ein eigenes Geschäft aufzubauen, sondern Collins in seiner Situation und im Umgang mit seiner Krankheit bestmöglich zu unterstützen – seinen depressiven Tendenzen mit so viel Leichtigkeit und Wohlwollen wie möglich zu begegnen und ihm viele gemeinschaftliche Momente bei Baobab zu ermöglichen.

Aus einer Idee wird ein Erfolg
Die Idee, eine Sport- bzw. Körperübungsgruppe für Schülerinnen anzubieten, die durch langes Sitzen im Rollstuhl oder ungleiche Belastung ihres Körpers (z. B. Krücken) betroffen sind, entstand in den letzten Wochen immer wieder. Der Start wurde jedoch oft verschoben, unter anderem durch meine Krankheitsphase, die mir die nötige Power nahm. Kurz vor Projektende noch einmal alle zusammenzurufen, schien mir nicht nachhaltig. Jona blieb bis zum Schluss dran und sagte: „Jede Übung ist besser als keine.“ So rufen wir – Jona, Frederik und ich – alle Beteiligten zusammen. Von insgesamt acht Teilnehmer*innen kommen vier.
Los geht’s mit einer abgeänderten Version von Stopptanz: Das Spiel verbinden wir mit Mobilisationsübungen für den gesamten Körper und alle sind aufmerksam dabei. Aus anschließenden Ballübungen entsteht der Wunsch aus der Gruppe, Volleyball zu spielen. Der Gruppenzusammenhalt wird deutlich spürbar, wenn jeder versucht, den Ball nicht zu verlieren. Wir lachen, kämpfen und bejubeln uns gegenseitig. Als zwei Besucher*innen einen Blick in den Raum werfen, werden sie sofort von der Gruppe integriert. Es folgt ein Fußball-Duell: Barcelona gegen Arsenal. Jeder wechselt mal ins Tor und hat die Gelegenheit, selbst aufs Tor zu schießen. Wir drei Trainer*innen schauen uns an – unser Lächeln verrät, wie zufrieden wir mit der ausgelassenen Stimmung und dem Ergebnis sind.
Als wir das Ende der Gruppenzeit einläuten, entscheiden die Jugendlichen weiter Ball zu spielen. Schüler*innen, die sonst kaum miteinander zu tun haben, kommen so in Kontakt. Die Atmosphäre ist großartig, und alle verlassen den Raum mit einem breiten Grinsen. Ich bin dankbar für diese unerwartet tolle Zeit – und für Jona‘s Motivation und Durchhaltevermögen, die Gruppenübungen final durchzuführen. Frederik, der künftig die Termine koordiniert, bedankt sich bei uns und ist motiviert für die Weiterführung. Im Juni, wenn wir noch einmal im Projekt vorbeischauen, wollen wir uns nochmal gemeinsam mit ihm zusammensetzen und über eine Auswahl von Übungen sprechen.
Die Zukunft von Baobab und Patenschaften
Wie sich das Projekt weiterentwickeln wird, ist immer wieder Thema in Gesprächen und Meetings. In ausführlichen Gesprächen mit Emmanuel, der selbst mehrere Jahre Baobab Schüler und mittlerweile Mitarbeiter ist, wird deutlich, wie sehr er sich mit der Einrichtung identifiziert. Er macht sich Sorgen um die Gesundheit der Gründerin und fragt, wie Ediths vielfältige Verantwortlichkeiten auf mehrere Schultern verteilt werden können. Für Emmanuel ist Baobab sein zweites Zuhause, ein Ort, an dem er sich wohl fühlt.
Das Hauptproblem, das in Meetings mit Edith und Alhaji immer auftaucht, sind die laufenden monatlichen Kosten. Oft reicht das Geld nicht und unerwartete Arzt- oder Krankenhauskosten erhöhen den finanziellen Druck. Um das Projekt langfristig zu unterstützen, gibt es die Möglichkeit, eine Patenschaft für einen Schüler oder eine Schülerin zu übernehmen. Patenschaften liegen mir selbst besonders am Herzen. Während meines Freiwilligendienstes habe ich mit einer Mitfreiwilligen Steckbriefe erstellt und viel Kraft in den Bereich gesteckt. Wir besuchten einige Heimatdörfer der Kinder, um einen vollständigeren Eindruck zu ihrem familiären Hintergrund und ihrer Lebensumstände zu bekommen.
Ziel einer Patenschaft ist es, durch Briefaustausch ein persönlicheren Kontakt aufzubauen und einen gegenseitigen Einblick in den Lebensalltag zu geben und sich auszutauschen. Interessierte sollten motiviert, zuverlässig und offen für den Briefkontakt sein. Der monatliche Beitrag liegt derzeit zwischen 50 und 75 Euro. Wer Baobab allgemein unterstützen möchte, kann auch einen frei wählbaren Betrag spenden. Auch einmalige Spenden sind jederzeit willkommen. Aus meinem direkten Einblick weiß ich, dass jeder Euro sinnvoll im Projekt eingesetzt wird und Baobab dankbar für jede Unterstützung ist. Mehr Infos und die Möglichkeit zur Patenschaft findet ihr hier:
Wenn ihr Fragen habt, unterstütze ich euch gerne dabei. Schreibt mir einfach eine Mail an: larabusch@gmx.de oder per What’s App unter: +4915732614816
Bevor wir in die Ferien starten…
Die letzten sechs Wochen im Projekt waren auf vielen Ebenen bereichernd für uns. Wir haben viel Neues gelernt – über uns selbst, in der Arbeit mit den Jugendlichen und fachlich in unseren Professionen. Durch die praktische Arbeit konnten wir unseren Horizont spürbar erweitern und wurden reich beschenkt.
In der Zusammenarbeit mit Edith bin ich mehrfach an meine Grenzen gestoßen, habe mich verunsichert gefühlt und wurde schließlich jedoch mit einer positiven Entwicklung belohnt und darin bestärkt, dass der Bereich der Traumapädagogik mir sehr am Herzen liegt. Jona’s osteopathisches Wirken ist für die Jugendlichen ebenfalls eine große Bereicherung gewesen. Viele berichtetem ihm, dass sie sich seit den Behandlungen schmerzfrei fühlen. Darüber hinaus wurde die Motivation künftig mehr für die körperliche Gesundheit und Beweglichkeit zutun, durch die gemeinsamen Gespräche gesteigert.
Gerade am Ende unserer Projektzeit empfinden wir eine große Dankbarkeit für all die Erfahrungen, die wir bei Baobab machen durften. Dass sich in so kurzer Zeit so viel bewegen lässt, erfüllt uns beide mit Freude. Ebenso überrascht sind wir, wie schnell wir wieder oder überhaupt Teil der Gemeinschaft wurden – ein Vertrauensvorschuss, den wir so nicht erwartet hätten.
Uns wurde bewusst, dass die Lebensumstände in Ghana kaum mit denen in Deutschland vergleichbar sind und hier ganz andere Ressourcen zur Verfügung stehen. Und doch zeigt sich, selbst bei begrenzten Mitteln kann eine Gemeinschaft wie Baobab viel leisten. Die Menschen hier haben das Herz am rechten Fleck – und das allein bewirkt bereits sehr viel.
Wir freuen uns sehr darauf, in ein paar Wochen erneut ins Projekt zurückzukehren und die Jugendlichen auf ihrem weiteren Weg begleiten zu dürfen.
Geschichtlicher Einblick in den transatlantischen Sklavenhandel im Elmina Castle
Das Elmina Castle ist eines von drei Hauptforts, die im transatlantischen Sklavenhandel eine zentrale Rolle gespielt haben. Sie sind Teil Ghanas bedrückender Vergangenheit. Elmina liegt nur wenige Kilometer von Ediths Haus entfernt und wir nehmen an einer Führung teil. Schon beim Betreten fühle ich mich unwohl und nachdenklich. Als weiße Person hier die Geschichte zu hören, erfüllt mich mit Scham.
Das Elmina Castle wurde 1482 von den Portugiesen erbaut und diente zunächst als Handelszentrum für Gold, das gegen Alkohol und Tabak eingetauscht wurde. Später verlagerte sich der Fokus auf die Versklavung von Menschen, die gegen Rum, Waffen und Stoffe nach Amerika verschifft wurden. 1637 übernahmen die Niederländer die Führung des Castles und bauten im ersten Stock eine protestantische Kirche über der Zelle der Frauen, die hier zahlreich vergewaltigt wurden. Dieser grausame Widerspruch – Gotteshaus über einem Ort des Missbrauchs – ist kaum zu fassen. 1872 folgten die Briten, bis Ghana 1957 als erstes afrikanisches Land die Unabhängigkeit erlangte. Knapp fünf Jahrhunderte voller Leid, Ausbeutung und Menschenrechtsverletzung. Wer einmal durch „the door of no return“ gebracht wurde, hatte keine Möglichkeit mehr wieder nach Ghana zurückzukehren.
Schätzungen zufolge wurden zwischen 10 und 12 Millionen Afrikaner*innen von hier aus verschifft. Heute ist das Elmina Castle UNESCO-Weltkulturerbe und ein wichtiges Mahnmal. Beim Verlassen des Forts werden wir von Kindern um Geld angebettelt; ein Moment, in dem ich mich selten so unwohl aufgrund meiner Hautfarbe fühle. Offiziell ist die Kolonialisierung vorbei, doch Ghana leidet bis heute unter dem Ungleichgewicht und der Ausbeutung ausländischer Investoren. Den Großteil der Gewinne aus Bodenschätzen teilen sich ausländische Investoren, während Ghana nur einen Bruchteil erhält – etwa 3–4 % am Kakaoexport, während internationale Firmen rund 96 % einstreichen. Wer mehr erfahren möchte, dem empfehle ich den Film „Schmutzige Schokolade“ (kostenlos verfügbar):
Und was wir sonst noch so erleben
Jeder Tag hält schöne, offene, aber auch irritierende Momente bereit. Irritierend etwa, wenn man im Troo Troo sitzt und plötzlich ein Kleinbus mit ganz besonderen Gepäckstücken auf dem Dach vorbeifährt –wie zum Beispiel eine stehenden Ziege. Solche Szenen holen einen schnell zurück in den Moment und die Lebensrealität.
Gleichzeitig begegnen uns immer wieder herzliche und unerwartete Begegnungen. Wir unterhalten uns immer wieder mit Menschen im Troo Troo, mit denen wir über Ghanas wirtschaftliche Lage und die Unabhängigkeit durch eigene Farmen sprechen oder mit einem jungen Mann, der in Reflexologie ausgebildet ist und sich für Jona’s osteopathische Arbeit interessiert. Diese Offenheit und das Interesse der Menschen, denen wir täglich begegnen, wünschen wir uns auch manchmal mehr in Deutschland. Oft erhalten wir gastfreundschaftliche Gesten, in denen wir zu etwas eingeladen werden. Ein Troo Troo Fahrer lädt uns mit einem einfachen „You are invited“ ein, seine Limo mit ihm zu teilen oder wir werden auf der Straße beim Vorbeigehen zum Essen eingeladen - kleine, aber wertvolle Zeichen der Offenheit und Freundlichkeit.
Ein Thema, das Jona seit eineinhalb Wochen beschäftigt und seine Beweglichkeit einschränkt, ist seine Schürfwunde am Knie. Diese ist beim Abschlussfußballspiel Lehrer gegen Schüler entstanden. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit und Hitze fordert die Wundheilung viel Zeit und Geduld zum Heilen. Auch nochmal eine ganz neue Erfahrung…
Was gibt es sonst noch wichtiges zu berichten? Ah ja - der Osterhase kam auch bei uns vorbeigehoppelt und hat sich ganz besondere Verstecke auf und unter Palmen für uns überlegt und uns mit Schokoeiern beschenkt.
Das war es erst einmal von uns. Jetzt freuen wir uns auf die anstehende Reise- und Urlaubszeit am Meer und darauf, unserer Surfbretter endlich wieder zu benutzen.
Bis zum nächsten Mal und viele sonnige, warme Grüße aus Ghana.
Wir lassen jetzt erstmal die Seele baumeln.
Jona und Lara

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